Sonntag, 2. März 2014

Für den Kreistag im Kreis laufen


Ein Beitrag zur Kreistagswahl von Jutta Scherer-Frank

Kreistag – was ist das? Auf keinen Fall ein Parlament, denn der Kreistag gehört zur Exekutiven, erlässt also keine Gesetze und fällt keine Gerichtsurteile. Obwohl nur ausführendes Organ mit etwas Richtlinienkompetenz, sieht sich der Kreistag an der Spitze der Kommunalen Selbstverwaltung des Landkreises. Seine Mitglieder sind ehrenamtlich tätige Kreisbürger/innen (plus EU-Ausländer). Die Mitglieder des Kreistages oder die Kreisräte besitzen keine Immunität, weshalb die Bezeichnung „Kreistagsabgeordneter“ falsch ist.
Sitzen da Menschen im Kreis um den Landrat und debattieren über Müll?  Auf der Webseite des Kreises Rhein-Neckar wird die Zuständigkeit des Kreistags für den „kreiskommunalen Bereich“ betont. Die momentan 103 Kreisrätinnen und Kreisräte entscheiden also über „grundlegende Angelegenheiten des Landkreises“. Die Liste umfasst neben der Abfallwirtschaft des Kreises auch die Kreisstraßen oder das Kreiskrankenhaus, sofern vorhanden. Hinzu kommen zum Beispiel die Sozial- und Jugendhilfe, der öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV), die Beruflichen Schulen sowie (ich fasse zusammen) der Umwelt-, Natur- und Tierschutz. Wenn der Kreistag will, kann er sich freiwillig auch der Volkshochschule und der Kunstförderung widmen.
Der Landrat wird übrigens in deutschen Landen meist direkt gewählt, in Baden-Württemberg aber vom Kreistag. Und das sogar auf acht Jahre. Einmal gewählt, führt der Landrat als Leiter des Landratsamtes die laufenden Geschäfte. Er ist gesetzlicher Vertreter des Landkreises, Vorsitzender des Kreistags und auch Vorsitzender der vielen Ausschüsse.
Da am 25. Mai 2014 neben der Kommunalwahl in Baden-Württemberg auch die Kreistagswahl ansteht, bringt mich das auf die Idee, mal näher nachzuschauen, was ein Kreisbürger oder eine Kreiskreisbürgerin oder eine E-Bürger/in im Kreis so alles benötigt, um für den Kreistag kandidieren zu können. Normalerweise stellen Parteien oder Wählervereinigungen eine Liste mit ihren Kandidaten für den Kreistag auf, dessen Mitglieder alle fünf Jahre (in Verhältniswahl) gewählt werden. Was ist aber, wenn ich mich einfach so für einen Sitz im Kreistag  bewerben will?
In Baden-Württemberg gibt es 35 Landkreise, zudem neun Stadtkreise (zum Beispiel Heidelberg und Mannheim) und dann auch noch ein Dutzend Regionalverbände. Ich lebe im größten Landkreis, dem Rhein-Neckar-Kreis. Da der Landkreis in verschiedene Wahlbezirke aufgeteilt ist, kommt für mich Schwetzingen in Frage, weil ich da wohne.

1.      Akt
Ich gehe aufs Rathaus, wo man schlauer ist, wenn man von da kommt. Im Hauptgebäude steht an der Infotafel hinter einer Zimmernummer auch „Wahlen“. Dort steckt wohl der Wahlleiter, den ich suche, also nichts wie hin. „Da müssen Sie ins Haus gegenüber“ wird mir gesagt.
2.      Akt
Im Nebenhaus das gleiche Spiel. „Da müssen Sie ins Landratsamt nach Heidelberg. Haben die auch eine E-Mail-Adresse, bei der ich um Unterlagen bitten kann? Der Beamte schaut nach, gibt mir die Adresse des Ansprechpartners und findet auch eine E-Mail-Adresse.
3.      Akt
Ich schreibe ans Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis, Kommunalrechtsamt in der Kurfürstenanlage in HD. Wäre es bitte möglich, mir Formulare zu senden, aus denen hervorgeht, was ich unternehmen muss, um Kreistagskandidatin zu werden?
4.      Akt
Nach ein paar Tagen bekomme ich um 18.30 Uhr einen Anruf, der mich aufklärt: „Mann oder Frau“ muss eine Aufstellungsversammlung abhalten, die ordnungsgemäß einzuberufen ist. Es müssen mindestens drei (!) wahlberechtigte Mitglieder/Vertreter/Anhänger anwesend und stimmberechtigt sein.
5.      Akt
Zu den Spielregeln gehört es, dass jemand die Versammlung leitet, was ebenso notiert wird wie die Zahl der erschienen Wahlberechtigten. Das Trio (Minimum) soll geheim mit verdeckten Stimmzetteln abstimmen, die Bewerber/innen werden in Reihenfolge der Abstimmung aufgestellt. Dann muss jede/r eine Zustimmungserklärung zur Aufnahme in den Wahlvorschlag abgeben. Mit persönlicher und handschriftlicher Unterschrift.
6.      Akt
Außer dem Eintrag, wer an welche Stelle auf die Liste kommt, muss das Kind auch noch einen Namen erhalten, zum Beispiel „Freie Liste“ oder in meinem Fall „Frank-Liste“. Es folgt die Eidesstattliche Versicherung samt Unterschriften, dass die Bewerber/innen-Wahl und die Reihenfolge in geheimer Abstimmung zustande kamen.
7.      Akt
Von der Sitzung ist eine Niederschrift über die Aufstellung der Bewerber/innen anzufertigen, das Original muss persönlich nach Heidelberg gebracht und übergeben werden. Dort entscheidet dann eine Kommission über die Zulassung des Wahlvorschlags und es ergeht ein „Aufstellungsverfügung“.
8.      Akt
Jeder Bewerber benötigt eine „Bescheinigung der Wählbarkeit“ für die Wahl des Kreistages des Landkreises. Anzugeben sind Familienname, Vorname, Tag der Geburt, Anschrift und Hauptwohnort. Mit Unterschrift und Dienstsiegel vom Bürgermeister.
9.      Akt
Erst wenn die Genehmigung eingetroffen ist, kann die eigentliche Arbeit losgehen. Die Liste benötigt die Unterschrift von 50 Unterstützern. Das bedeutet, in der eigenen Wohnstraße von Haus zu Haus zu gehen und Unterschriften zu sammeln, falls die Nachbarn einem wohlgesonnen sind.
10.  Akt
Wem das Klinkenputzen nicht liegt, der muss sich überwinden und einen Stand zur Sammlung von Unterschriften in der Fußgängerzone aufbauen. Doch Vorsicht, das ist ebenfalls genehmigungspflichtig. Das heißt, wieder aufs Rathaus.
11.  Akt
Außer der Niederschrift über die Aufstellung muss der Wahlvorschlag ausgefüllt werden. Bei der Kreistagswahl können höchstens eineinhalb Mal so viele Bewerber/innen aufgeführt werden, wie Mitglieder des Kreistags im Wahlkreis zu wählen sind. Ich frage telefonisch nach wie viele das für Schwetzingen mit seinen rund 22.000 Einwohnern sind. Antwort: Ein Dutzend Kandidatinnen bzw. Kandidaten, denn es gibt nur acht Sitze zu verteilen.
12.  Akt
Der oder die Vorsitzende des Wahlausschusses bestätigt den rechtzeitigen Eingang des Wahlvorschlags mit Uhrzeit und Datum. Wer alles richtig gemacht hat, der bekommt ein Kreuz bei „keine Mängel“.
Als „Einzelkämpfer/in“ kann sich niemand zur Kreistagswahl stellen, denn wie gesagt, es müssen mindestens drei Personen sein. Wer wirklich mit dabei sein will, sollte vielleicht auch noch über Wahlplakate mit einem Foto neueren Datums nachdenken und sich zudem überlegen, welche anderen Werbemaßnahmen notwendig sind, um als Kreistagskandidatin oder der Kandidat Erfolg zu haben.
Je länger ich darüber nachdenke, desto komplizierter kommt mir die ganze Angelegenheit vor. Ich jedenfalls muss mir keine Gedanken darüber machen, denn ich werde mich nicht bewerben, obwohl es mir erstaunlicher Weise frei steht, meine Telefonnummer anzugeben oder auch nicht.  

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