Sonntag, 14. Juli 2013

Ritsch ratsch

Mit 8 Jahren
Zopf ab
Wer schön sein will muss leiden



Es soll ja Damen geben, für die sind Friseurläden ein Ort zur wöchentlichen Freizeitgestaltung. Mir hingegen graut vor diesen Pflichtbesuchen, und nur wenn es wieder einmal unvermeidlich ist, lenke ich meine Schritte zu einem der Geschäfte, die sich als „Coiffeur“, „Frisör“, „Friseur“, manchmal auch als „Haarstylist“, „Hairstudio“ oder gar „Hairkiller“ anpreisen.

Ein Psychiater würde bei mir schnell ein Trauma aus der Kindheit diagnostizieren. In der Tat reicht meine Skepsis, um nicht zu sagen Abneigung gegen den Aufenthalt im Salon des viel besungenen Figaros weit zurück. Damals trug ich noch lange Zöpfe, die auf Geheiß meiner Mutter einem schönen, modernen Bubikopf Platz machen sollten. Wie das bei Kindern wohl häufig der Fall ist, wurde ich von einem Lehrmädchen, sprich Azubi, „bedient“. Zunächst schnitt das flinke Wesen mir mein Haar schulterlang, wodurch ich mir, ich weiß es noch wie heute, „engelsgleich“ vorkam, doch dann entschloss es sich zur Radikalkur und ritsch ratsch hatte ich kurze Borsten, die nach allen Seiten abstanden.

Seither bin ich auf der Suche nach dem optimalen Friseurgeschäft, dessen sanfte Pflege ich ertrage. Nicht dass ich wie Samson in der Bibel fürchte, durch das Abschneiden meines Haupthaars meine Kraft zu verlieren, nein, die Ursache liegt darin, dass mir mein Kopf hochgradig verwundbar erscheint.
Da bin ich mir, soweit ich gelesen habe, mit Queen Elisabeth einig, die es auch nicht haben kann, wenn ihre Tolle allzu lange und intensiv bearbeitet wird. Es soll ja auch Forscher geben, die ums Leben kamen, weil sie dem Häuptling eines Naturvolkes an den Kopfschmuck langten, oder solche, deren Kindern man als Tourist keinesfalls über den Kopf streicheln darf, ohne großen Ärger zu bekommen. 
Besonders das Kopfhautkneten durch fremde Finger beim Waschen ist mir unangenehm, das Föhnen empfinde ich als Körperverletzung und all meinen Sehnen und Trachten gilt dem Augenblick, an dem ich an der Kasse stehe, den rettenden Ausgang im frisch gewaschenen Nacken.

Glauben Sie mir, ich habe nichts unversucht gelassen, endlich in der Nähe meines Wohnorts jenen Künstler oder jene Künstlerin zu finden, die mir genehm und angenehm ist.
In einem der Läden darf ich mich seit meiner Heirat sogar nicht mehr blicken lassen, denn dort habe ich das Heiligtum des Friseurs, seine Schere, ruiniert. Das kam so: für eine traumhafte Hochzeitfrisur wollte ich winzige Orchideenblüten im ganzen Haar verteilt haben, aber der Blumenhändler hatte -offenbar in der Annahme, ich wolle mir den Zweig hinter das Ort stecken, - eine große Rispe geliefert, weshalb ich, noch unter der Trockenhaube sitzend, eigenhändig die Blüten vor dem Feststecken mit der vor mir liegenden Schere des Meisters abtrennte.

Einen anderen Laden betrete ich freiwillig nie wieder, denn jedes Mal muss ich mich wortreich und energisch gegen eine freudig angebotene Kopfmassage vorweg wehren. Habe ich das erfolgreich abgewendet, wird die Prozedur ganz bestimmt lange und breit beim Haarwaschen nachgeholt. Es nutzt gar nichts, wenn ich genau sage, dass ich gegen Zudringlichkeiten dieser Art „allergisch“ bin, weil in diesem Salon die einhellige Meinung herrscht, eine Kopfmassage sei für jeden und jede ein Hochgenuss. Selbst zu Weihnachten bekam ich einen Gutschein mit der „verheißungsvollen“ Aussicht auf eine Kopfmassage. Vergesslichkeit? Verhöhnung meiner Wünsche? Ich weiß es nicht.

Glauben Sie mir, in aller Welt war ich schon auf der Suche nach dem für mich „idealen Haarkünstler“. In China wuschen sie mir die Haare mit Trockenshampon und spritzten anschließend Wasser aus einer Sprühflasche drauf; in der Türkei knipsten sie mir Perlen in die Locken, in Kenia überredete mich ein reizendes Wesen, mir Rasterzöpfchen flechten zu lassen. In Thailand habe ich die Waschprozedur im Liegen über mich ergehen lassen, wozu ich über viele andere auf Pritschen ruhende Personen bis in die mir zugewiesene Ecke steigen musste, wo mein Kopf dicht neben dem Speiseschälchen für die Götter in der Luft baumelte. Manchmal wird einem das Kopfhaar mit dem Glätteisen zu einer Rutschbahn geformt, häufig ist das Fönen ein Ziehen und Zerren, dann wieder werde ich überredet, mir „Dreadlocks“ knüpfen zu lassen. Meist verlasse ich einen Salon, nur um ihn sofort wieder aus meinem Gedächtnis zu streichen, zumal wenn nebenan einem Mann die Nasenlöcher ausrasiert oder die Ohren gewaschen wurden.
Ein Erlebnis hatte ich auf der Friseursuche in einem kleinen Ort in Italien. Zögerlich betrat ich das mit einer baumelnden Schere gekennzeichnete Geschäft. Mein Blick fiel auf einziges Waschbecken mit Sprung und über den Boden verteilten Haarbüscheln. Eine Treppe führte nach oben - offenbar zur Privatwohnung -, von wo lautes Zanken zwischen einer Frauen- und einer Männerstimme herunter drang. Leise lief ich rückwärts wieder hinaus.
Dann jedoch, auf dem Marktplatz, fand ich das „Non plus ultra“ eines mir genehmen Haarsalons. Gleich nach dem Betreten des hochmodernen Ladens sollte die Kundin ankreuzen, was mit ihrem Kopf zu geschehen hatte, dann wurde sie ins Allerheiligste geführt. Es handelte sich um lange, breite Stuhlreihen. Ganz hinten wurde im Akkord gewaschen, dann rückte die Kundin vor zur nächsten Stuhlreihe mit dem fürs Kämmen zuständigen Personal. Nach ein paar übersprungenen Reihen, die wohl fürs Färben, die Dauerwelle oder Sonstiges gedacht waren, ging es auch schon zum Fönen mit der Rundbürste. Alles schnell und effektiv. Zugegeben, nicht jederfraus Geschmack, aber für mich die Offenbarung. Leider nur zu weit weg…


  

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