Donnerstag, 27. Juni 2013

Glasperlen in Marrakesch

Es war im schönen Marrakesch in Marokko. Ich ging auf die berühmte Koutoubia Moschee zu, von der es heißt, dass ein Heiliger jeden Abend auf das Minarett steigt und erst wieder runter kommt, wenn alle blinden Bettler der Stadt zu Essen und ein Nachtlager haben. Zwei kleine Mädchen liefen hin und her, spielten Fangen. Am Straßenrand saß ihre Mutter, ein noch kleines Kind im Arm, das schlief.

Ich kramte in meiner Tasche und fand zwei Armbänder aus Glasperlen, die mir als Geschenk für die Mädchen passend erschienen. Sie freuten sich tatsächlich riesig über die kleine Gabe, aber ihr Geschwisterchen wurde wach und kam nun ebenfalls mit ausgestreckten Händen auf mich zu. Da ich aber nichts mehr dabei hatte, noch nicht einmal Geld, fing die Kleine, die kaum laufen konnte, fürchterlich zu brüllen an.

Ich hatte Unheil angerichtet und Schmerz verursacht, das war mir klar. Manchmal höre ich noch heute das Kind schreien, das auf sein Recht pochte, nicht leer auszugehen. Ach hättest du doch weiter geschlafen, kleines Mädchen!
Als nun ein Bekannter anderthalb Jahre später ankündigte, nach Marrakesch reisen zu wollen, bat ihn, auf der Brücke nach kleinen Kindern Ausschau zu halten und gab ihm drei Geschenke, drei kleine Ringe, mit. Irgendwie erschien es mir logisch, dass die Frau mit ihren Kindern dort ihren Stammplatz hatte und wieder da sein würde.

„Und, hast du sie angetroffen?“, fragte ich ihn nach seiner Rückkehr. Er schaute beschämt. „Ich gab die drei Ringe an die drei älteren Kinder, aber da war noch ein kleines Kind, das kaum laufen konnte und brüllte und brüllte, weil es nichts abbekam. Manchmal höre ich noch heute das Kind schreien“, sagte er.
„Dann musst du warten, bis du hörst, dass jemand dorthin fährt und die doppelte Menge an Geschenken mitgeben“, überlegte ich, denn ich konnte mit ihm fühlen.

Er entgegnete: „Mein schlechtes Gewissen wird von Reise zu Reise größer. Das mit Marokko kann ich vielleicht regeln, mich drückt jedoch seit Jahren der Gedanke, dass ich den Kindern in der Oase in Tunesien keine ihrer selbst gemachten Stoffpüppchen abgekauft habe, aber im Moment fährt niemand den ich kenne nach Tunesien.
Schuhe

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